Meine Geschichte - Zahnarztangst

    • Meine Geschichte - Zahnarztangst

      Hallo zusammen,

      ich möchte euch hier meine Geschichte möglichst "kurz" zusammenfassen - vielleicht kann ich dem ein oder anderen ein wenig die Angst nehmen.

      Kurz zu mir:
      Ich bin männlich, 32 Jahre alt und war 1 mal als Kind beim Zahnarzt.
      Meine Gebiss - ein Wildwuchs. Zähne übereinander statt nebeneinander, einer kam unten aus dem Gaumen raus, nie ein gerades Gebiss.
      Irgendwann in meinen jugendlichen Jahren dachte ich, ach sche*** drauf, das lässt sich eh nicht reparieren und war somit nie beim Zahnarzt.
      Ein Zahn nach dem anderen brach ab, Gebiss voller Karies, Scham beim Sprechen, Lachen sowieso nurmehr mit vorgehaltener Hand - aber was kennt hier wohl jeder.
      Essen konnte ich genau noch an einer Position, der Rest schmerzte, die Nerven lagen frei oder ich hatte Angst, dass das was noch da ist auch abbricht.
      Freundin inkl. 4jährigem Sohn.
      Auf einer Schmerzempfindlichkeits-Skala würd ich mich selbst 9/10 einstufen - also schon ziemlich empfindlich. Den kleinen Zeh am Türstock stoßen bewerte ich mit einer 7/10 :D

      2015 bekam ich auf einmal Schmerzen im Oberkiefer über einem Backenzahn - das waren (trotz meines katastrophalen Zustands) meine ersten wirklichen "Zahnschmerzen"
      Sofort in die Apotheke, schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente geholt und über eine Dauer von 2 Wochen genommen - ohne Verbesserung, es wurde schlimmer.
      Es baute sich ein Druck auf, meine Wange wurde dick - und zwar so dick dass ich kaum noch sprechen konnte.
      Tja, es war wohl Zeit notgedrungen zum Zahnarzt zu gehen.

      Zahnarzttermin #1
      2015 - wie erwähnt.
      Erstbesten Zahnarzt gesucht (ca 300m von meinem Zuhause entfernt - Wahlarzt, selber zahlen)
      Angerufen, rein, keine Wartezeit, Arzt nett, Mund auf (das war das größte Problem, Fremde in meinen Mund schauen zu lassen) Antibiotikum verschrieben.
      Keine blöde Bemerkung über meinen Zahnstatus, nicht abwertend - alles ok. Ich habe ihn dann direkt gefragt was bei mir alles gemacht gehört - er hat dann bei jedem Zahn Dinge aufgezählt die ich nicht verstanden habe.
      Es gab aber keinen einzigen Zahn der in Ordnung war.
      Jetzt geh ich das Thema an! Termin ausgemacht - ups, doch nicht. Zahnschmerzen waren wieder weg - alles "ok", Termin abgesagt - tschüss!

      Zahnarzttermin #2
      Juli 2021 - 6 Jahre später.
      Selbe Schmerzen, selbe Stelle. Direkt wiedererkannt, direkt wieder alle möglichen Medikamente geholt um mir den Termin zu ersparen. Auch diesmal ohne Erfolg.
      Mittlerweile wohne ich in einer anderen Stadt, ca 50km entfernt.
      Trotzdem wurde wieder der selbe Arzt angerufen - wieso wen Neuen in meinen Mund schauen lassen, wenns schon einen gibt der die Baustelle wenigstens schonmal gesehen hat, wo ich weiß, dass der nicht abwertend wird und grundsätzlich freundlich ist.
      Angerufen, rein, keine Wartezeit, Arzt nett, Mund auf, Antibiotikum verschrieben.
      Neuen "Status" angefordert - was muss medizinisch gemacht werden, was ästhetisch.
      2 Heilkostenpläne erhalten - Termin ausgemacht - diesmal zieh ichs wirklich durch - Start mit einer professionellen Zahnreinigung, damit sich das Zahnfleisch beruhigt.
      Medizinischer Heilkostenplan: Praktisch jeder Zahn muss gefüllt, geschliffen oder wurzelbehandelt werden.
      Ästhetischer Heilkostenplan: 5 Zähne vorne im Oberkiefer werden überkront.

      Was ich am meisten verwundert hat? Obwohl Zähne bis zum Zahnfleisch abgebrochen sind, kaum noch was da und total verfault ist, kann man so ziemlich alles mit Füllungen machen.
      Ich habe mich schon eingestellt auf 20 Zähne reißen und mit Implantaten - nix da, alles korrigierbar - wahnsinn!

      Warum diesmal?
      Wie oben geschrieben - ich kann kaum noch essen, was von meinen Zähnen noch da ist ist abgebrochen, meine Schneidezähne oben sind abgebrochen, einer bis zum Zahnfleisch. Ich seh aus wie ein drogensüchtiger Meth-Junkie der von innen aufgefressen wird.
      Mein kleiner Sohn (4) sagte: "Papa, wieso hast du da vorne so schwarze Zähne?"
      Meine Freundin spricht mich schon länger darauf an (respektvoll) (sie hat mein Gebiss noch nie wirklich gesehen, nur was beim Reden durchscheint)
      Ich will endlich normal sprechen können, ohne das ich "auffalle"
      Es ist allgemein bekannt, dass sich Zahnprobleme irgendwie aufs Herz auswirken - und ich hab keine Lust mit Mitte 30 deswegen umzukippen.

      Zahnarzttermin #3
      Professionelle Zahnreinigung.
      War nicht die angenehmste Stunde in meinem Leben, aber super zum Aushalten.
      Der ganze Müll auf meinen Zähnen wurde entfernt und generell alles gesäubert.
      Ja, die Zähne danach waren sauber, aber es glänzte komplett schwarz aus dem Mund
      Vorher war das mit Zahnstein etc bedeckt - jetzt war es tiefschwarz.
      Dabei ein bisschen mit der Dame gequatscht, die die Zahnreinigung durchführte, ob es denn viele in meinem Alter gibt die so aussehen.
      Darauf sagte sie, dass ich mir da keine Gedanken machen soll und es viel viel schlimmere Patienten gibt.
      Ob das wirklich so ist kann ich nicht sagen, es hat mir aber ein bisschen Mut gegeben.
      Schmerzen: 2/10

      Zahnarzttermin #4

      Zahn ziehen.
      Ich hatte einen relativ gesunden Zahn der allerdings unten aus dem Gaumen rauskam und somit der Krone in den Weg kommen würde.
      Rein in den Stuhl, die Einstichstelle der Spritze wird vorher lokal betäubt, Spritze rein (ist wirklich unangenehm am Gaumen finde ich) - und ab gehts.
      Ja, das war unangenehm und wird sicher nicht meine Spezialdisziplin.
      Schmerzen: 2/10 - Schmerzen ansich nicht, es war aber unangenehm das Wackeln des Zahnes im Knochen zu spüren - auch die 2 Tage danach zu Hause waren unangenehm mit Essen etc - da direkt im Gaumen ein Loch war.


      Zahnarzttermin #5
      Wurzelbehandlung.
      Nach der Entzündung wegen der ich ursprünglich zum Zahnarzt bin hat sich eine Fistel gebildet die sich täglich neu mit Eiter füllt und ausdrücken lässt. Das geht nur mit einer Wurzelbehandlung weg.
      Rein in den Stuhl, Spritze, ab gehts. Was soll ich sagen - ich kann keine einzige Horrorstory einer Wurzelbehandlung nachvollziehen. Ich habe aber sowas von überhaupt nichts gemerkt dass ich tatsächlich fast eingeschlafen wäre.
      Das Geräusch des Bohrers war, ich will nicht sagen angenehm, aber definitiv zum aushalten und absolut nicht störend.
      Wurzelbehandlung durch, yeah!
      Schmerzen: 1/10

      Zahnarzttermin #6
      Füllungen:
      Alles was noch irgendwie mit Füllungen repariert werden kann wird mit Füllungen gemacht.
      An dem Termin waren das 3 Zähne im Oberkiefer - wieder kam der Bohrer zum Einsatz - diesmal ein etwas "kräftigerer", aber absolut zum aushalten.
      Schmerzen: 1/10

      Zahnarzttermin #7
      Die Frontzähne im Oberkiefer werden vorbereitet
      Die Zähne im Oberkiefer, oder was noch da ist, wurde so beschliffen, dass sie fähig sind die Krone zu tragen.
      Hier kam der wohl stärkste Bohrer zum Einsatz und es war bisher auch mein längster Auftritt in der Ordination. 3 Stunden im Stuhl, von den Geräuschen her kam es mir vor als würde man mir die Zähne wegflexen (was ja auch so war).
      Hierbei kam auf, dass 1 Zahn keine "Reaktion" mehr zeigt und wohl tot ist und so keine Krone tragen kann - daher Wurzelbehandlung.
      Wurzelbehandlung? Das war doch das, wo ich letzte Woche fast eingeschlafen bin - das kriegen wir hin!
      Nach der Fertigstellung hatte ich nurmehr kleine Stümpfe die aus dem Zahnfleisch kamen, diese wurden gereinigt, getrocknet, und mir in der Zwischenzeit ein Provisorium angefertigt (aus Kunststoff) - mit einem Kleber reingeklebt und fertig.
      Auch wenn diese Zähne nur aus Kunststoff waren und superunecht aussahen. WAS FÜR EIN GEFÜHL! Zähne vorne drin zu haben und den Mund aufzumachen ohne das sich jemand Gedanken darüber macht - wow.
      Schmerzen: 2/10

      Zahnarzttermin #8
      Die "echten" unechten Zähne sind fertig - aus Keramik.
      Rein in den Stuhl - Plastikleiste raus, Keramik rein - Nachbarzähne noch bisschen geschliffen da was im Weg war, diesmal mit einem permanent-Kleber reingeklebt.
      Ja, diese Zähne sehen echt "echt" aus.
      Schmerzen: 2/10

      Dieser Termin war letzte Woche - am Dienstag folgt der Nächste, dann sollte das Oberkiefer mal durch sein. Danach kommt das Unterkiefer (1x Wurzelbehandlung, 1x Ziehen + den Rest schleifen / füllen)

      Stand jetzt:
      Mit der Krone bin ich zu 95% zufrieden - wenn ich an einem bestimmten Punkt außen mit der Zunge andrücke merke ich eine gewisse "Hebelwirklung" an der anderen Seite und es fühlt sich so an als würde ich die Krone aushebeln, was aber natürlich nicht so ist.
      Mein Zahnarzt meinte ich soll jetzt mal eine Woche "testen" und alles was danach noch auffällt kann man korrigieren - das werden wir dann am Dienstag besprechen. Eventuell gehört sie auch noch etwas abgeschliffen, da er meinte sie ist evtl. ein bisschen zu hoch - vielleicht ist das der Grund. Vom Aussehen her bin ich echt sehr zufrieden, auch kann ich nach 15 Jahren wieder normal von einem Brot abbeissen und muss es nicht seitlich abnagen wie ein Bieber.

      Es werden insgesamt noch ca 5-6-7 Sitzungen fällig bis ich durch bin, aber ich freue mich auf jeden einzelnen davon. Von der "Angst" und "Scham" weg zur Freude - hätte ich nie gedacht, aber wenn man sieht dass sich was tut, der Arzt freundlich ist und der Fortschritt erkennbar - absoluter Wahnsinn. Ich muss definitiv noch lernen zu sprechen und lachen, so wie's normale Menschen tun, das hat sich in den letzten 20 Jahren einfach falsch entwickelt.

      Ich stehe täglich mindestens 1-2 Stunden vorm Spiegel und schaue meine eigenen Zähne an - zum Vergleich: in den letzten 20 Jahren waren das ganze 0 Stunden. Ich habe mich nichtmal selbst angeschaut.
      Ich putze mir ab jetzt vernünftig die Zähne (war auch nicht passiert in den letzten 20 Jahren), habe mir eine elektrische Zahnbürste geholt und versuche nun "normal" zu leben :)

      Ich schreibe diese Zeilen weils vielleicht dem ein oder anderen die Angst nimmt - und wenns nur einer ist wär das schon sensationell. Mir hätte es wohl geholfen und glaubt mir - ich bin ein viel größerer Angsthase als 95% von euch.
    • Danke für deinen Bericht ... und dass du dir so viel Mühe gemacht hast!
      Da hast du ja auch schon ganz schön was durch!

      Aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass du wirklich so doll schmerzempfindlich bist,
      bei den Baustellen und die Behandlungen das muss doch weh tun. :|
      Was sein muss, muss sein, aber ich werde mich definitiv niemals wieder auf Zahnarzttermine freuen ...
    • Inka schrieb:

      Danke für deinen Bericht ... und dass du dir so viel Mühe gemacht hast!
      Da hast du ja auch schon ganz schön was durch!

      Aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass du wirklich so doll schmerzempfindlich bist,
      bei den Baustellen und die Behandlungen das muss doch weh tun. :|
      Was sein muss, muss sein, aber ich werde mich definitiv niemals wieder auf Zahnarzttermine freuen ...
      Was Schmerzen angeht würd ich mich mit einem 12jährigen Mädchen vergleichen :).
      Und ja - auch ich bin überrascht und komplett erstaunt, dass es tatsächlich nicht weh tut.
      Entweder der Arzt spritzt mich komplett weg oder ich weiß auch nicht woran es liegt.
      Ich hab mich schon auf "stärkere" Schmerzen eingestellt und hätte diese auch in Kauf genommen, wer 20 Jahre nicht zum Zahnarzt geht "soll" leiden dachte ich mir, aber davon ist halt tatsächlich nichts zu spüren.

      Am Dienstag hatte ich meinen nächsten Termin, Oberkiefer ist jetzt komplett saniert, wieder ohne Schmerzen.
      2 Zähne wurden noch aufgebaut, praktisch aus dem nichts. Wo vorher nurnoch schwarz und Zahnfleisch zu sehen war sind jetzt 2 Zähne, wie auch immer - mir kommts langsam vor ich bin bei einem Künstler und Steinmetz, und nicht bei einem Zahnarzt.

      Nächsten Dienstag geht's weiter, da starten wir mit dem Unterkiefer - "freu" mich schon :)